Hurrikan Saison 2020 auf Bonaire
Von Teddy, Bertha, Kyle...
Sie haben klingende Namen wie Gonzalo, Laura, Sally, Nana, Vicky... Doch so schön wie das tönen mag, so hässlich und vernichtend können sie sein. Die Tropischen Tiefs, die sich zu einem Tropensturm oder gar Hurrikan heranbilden. Wir verbringen die Atlantische Hurrikan Saison 2020, die auch für die Karibik gilt, auf Bonaire. Bonaire liegt in der Karibik nahe der Küste von Venezuela und offiziell nicht im Hurrikan-Gürtel. Der letzte Hurrikan, der Bonaire gestreift hat war Felix im Jahre 2007. So erhoffen wir hier einen sicheren Zufluchtsort gefunden zu haben.
Wir liegen an einer Mooring mit drei grossen Betonklötzen, welche untereinander mit Stahlseilen verbunden sind. Zwei Mooring Leinen mit kleinen Bojen am Ende führen zur Wasseroberfläche, an dessen Augen wir unsere meerla mit zwei unserer Festmacher festmachen. Das gesamte Mooring Feld ist nicht nach allen Himmelsrichtungen geschützt aber gegen die Hauptwindrichtung, die im grossen Ganzen ungefähr Ost-Wind ist, liegen wir sehr geschützt.
Da hier beinahe immer der Wind aus der Hauptrichtung kommt, sind die Moorings auch nicht für andere Windrichtungen ausgelegt. Was gemeint ist, wenn die Schiffe gedreht werden, sind innen liegende Bojen plötzlich im Weg oder das Wasser ist für einige Schiffe nicht mehr tief genug, weil da Korallenblöcke im Niedrigwasser sind oder gar andere Betonblöcke von anderen Moorings.
Im Normalfall ist dies aber alles kein Problem, weil die Schiffe meist nur gedreht werden, wenn das Wetter sehr ruhig ist, der Wind komplett eingeschlafen ist und die Strömung die Schiffe durch die Gegend schiebt. Also alles in allem ein guter Platz um lange zu liegen.
Am 1. Juni beginnt in der Karibik offiziell die Hurrikan Saison. Da wollen viele Schiffe ausserhalb des Hurrikan-Gürtels sein, was im 2020 nicht so einfach ist, infolge den Reisebeschränkungen durch Covid-19. Wir haben das grosse Glück, dass wir nicht auch noch vor dem Wetter flüchten müssen und wir bereits auf Bonaire sind und auch bleiben dürfen, obwohl unsere Aufenthaltsdauer theoretisch Mitte Juni ausläuft.
So sehen wir der Hurrikan Saison extrem gelassen entgegen und erwarten keinerlei Probleme. Trotzdem prüfen wir die Webseite vom National Hurricane Center beinahe täglich. Wir wollen ja vorbereitet sein, falls doch einer seine Zugbahn weit südlich nimmt. Denn es wird ein Jahr mit sehr vielen tropischen Stürmen und Hurrikans vorhergesagt, also eine überdurchschnittliche Saison.
Gonzalo vor der Tür
Und so kommt es, dass wir am 21. Juli plötzlich die Webseite vom National Hurricane Center sehr fleissig konsultieren, denn es hat sich weit südlich im Atlantik ein Tropisches Tief gebildet. Am anderen Tag ist es bereits ein tropischer Sturm und hat Potential für ein Hurrikan, sein Name ist Gonzalo. Auf einmal ist Gonzalo das Wort, das durch das Mooring Feld rauscht. Was tun? Abwarten? Sich vorbereiten um nach Süden an die Küste Venezuelas «abzuhauen»? Wir entscheiden mal noch abzuwarten. Gonzalos vorankommen lässt uns noch etwas Zeit um die Situation weiter zu beobachten. Er nimmt ziemlich geraden Kurs nach Westen und die Voraussage ist, dass er Bonaire von der Zugbahn her treffen wird, doch bald ist die Aussicht da, dass er sich abschwächen wird.
Es hat Schiffe, die machen sich reisefertig. Alles unter Deck verstaut. Wir sehen dem etwas gelassener entgegen und vertrauen auf die Erfahrung der Vorhersage vom Hurrikan-Center.
So kommt es dann auch, dass sich der Sturm am 25. Juli bereits an der Küste Venezuelas wieder auflöst. Zum Glück, sind wir froh!
Doch der Ausläufer von Gonzalo verspricht bei uns noch mehr Wind als üblich und viel Regen.
So kommt es auch, dass wir zum ersten Mal hier auf Bonaire so richtigen tropischen Regen erleben und an Land sind die Strassen überschwemmt.
Es grünt so schön
Doch für die Natur hier auf der ausgedörrten Insel scheint dieser Regen ein Segen zu sein. Auf einmal beginnen die Bäume, die wir für tot hielten, Blätter zu machen und sogar zu blühen. Sowohl Bonaire wie auch Klein Bonaire werden auf einmal ganz grün – so schön!
Es bilden sich weitere Tropische Stürme und sogar Hurrikane, doch zum Glück sind wir von keinem betroffen. Hurrikan Marco zieht nördlich an uns vorbei und bringt uns nur etwas turbulenteres Wetter als üblich.
So geniessen wir diesen Sommer auf Bonaire und schwitzen ganz ordentlich, denn es hat deutlich weniger Wind ohne den beständigen Passat und so wird es immer heisser im Schiff. Auch das Meer wird sehr warm, was einen Einfluss auf das Wettergeschehen hat.
So beobachten wir seit langer Zeit die Gewitter jeden Abend, wenn wir in Richtung Venezuela schauen. Wir sind beeindruckt von diesem Geschehen, denn wir sehen weit weg beinahe andauernd Blitze, sobald es dunkel wird. Und natürlich ist immer die Hoffnung, dass diese nicht bis zu uns gelangen.
Reversals
Die vielen tropischen Tiefs und Stürme, die durch die Karibik ziehen bringen den üblichen Wind durcheinander, was leider dazu führt, dass es auf Bonaire zu sogenannten Reversals kommen kann. Mit Reversals ist gemeint, dass sich die Windrichtung umdreht. Also aus der anderen Richtung kommt als üblich und dies bedeutet für die Yachten im Mooring Feld, dass sie nicht mehr geschützt liegen.
Am 07. Oktober ist es dann leider soweit, dass ein Gewitter von Südwesten her über uns hinweg zieht. Wir kennen den Effekt vom Reversal nicht und werden nachts von ersten starken Windböen geweckt. Wir schauen nach draussen und stellen fest, dass wir mit dem Heck Richtung Land stehen und so ganz nahe beim Nachbarschiff liegen, der noch eine Reihe weiter innen an einer Boje hängt. Es geht alles ziemlich schnell. Es bauen sich unangenehme Wellen auf und die lassen die meerla an den Festmacherleinen reissen. Puh, was für ein unangenehmer Ritt! Wir ziehen unser Schwert ganz ein, so dass wir damit sicher keine Tiefgang-Probleme haben, doch reicht es für die Ruderblätter? Das geht da hinten hoch und runter wie auf der Achterbahnfahrt und wir wissen, dass es Korallenblöcke im Wasser hat. Wir verbringen bange Stunden auf dem Schiff und hoffen, dass der Spuck schnell vorbei geht.
Jetzt schläft auf den Booten keiner mehr. Wir sehen überall geschäftiges Treiben. Entweder versuchen einige von der Mooring weg zu fahren, wenn sie genügend freies Wasser haben oder sie sitzen am Bug und beobachten ihre Festmacher, jederzeit bereit loszufahren. Überall hören wir, dass die Motoren laufen, gefasst für den schlimmsten Fall. Sind das schreckliche Stunden, die da vor uns her kriechen. Unser Nachbar versucht von Hand die Wucht der Wellen mit den Fastmacherleinen abzufangen, damit wohl seine Klampen nicht ausreissen. Wir sitzen nur gerade 3m vor ihm. Weg können wir in dieser Situation nicht, das wäre wohl gefährlicher als zu bleiben, denn wir haben nach hinten überhaupt keinen Spielraum und links und rechts und vor uns stehen auch Schiffe ganz nah.
Irgendwann ist der Spuck vorbei und wir sind einfach froh darüber. Natürlich ist am anderen Tag dies DER Gesprächsstoff unter den Seglern. Und was hören wir? Ja, das kann es geben, letztes Jahr hatten wir auch einen Reversal. Gibt es das oft, fragen wir. Nein, maximal ein bis zwei pro Jahr. Aha, na dann. Dann ist es hoffentlich für dieses Jahr vorbei, denn das will ich nicht nochmals erleben.
Es kommt noch dicker...
Doch der Durchzug des Hurrikan Eta, nördlich von Bonaire, sorgt für länger anhaltende Wetterturbulenzen in der Karibik. Und so kommt es fünf Tage später erneut zu einem Reversal. Wieder werden wir nachts von starkem Wind geweckt. Oh nein, bitte nicht schon wieder! Doch da sind auch schon die Monster Wellen. Wir verbringen beide die ganze Zeit im Cockpit und beobachten genau, was geschieht. Erneut ist es zu spät um wegzufahren – insbesondere, weil wir unserem Motor nicht trauen, weil dieser ja Probleme hat. Und die umliegenden Schiffe stehen so nahe, das wäre gefährlich. Wir hoffen es geht wie letztes Mal glimpflich aus.
Unser Nachbar hinter uns ist nicht an Bord und sein Schiff hat eine Heckleine, damit sich das Schiff nicht gegen Land drehen kann, weil es sonst auf dem Grund aufschlägt. Wir sehen, wir der Besitzer zum Schiff schwimmt und an Bord klettert. Sein Boot wird in den Wellen unglaublich hin und her geworfen, wie wir auch und es zerrt überall wie verrückt an den Leinen. Der Nachbar nimmt noch eine weitere Leine und taucht damit ab um das Schiff weiter zu sichern. Wir haben Angst um ihn, wie er da im Wasser neben den tanzenden Schiffen schwimmt und fragen ihn, ob er soweit ok ist. Die Wellen werden immer schlimmer, es rasen richtig hohe Brecher unter uns durch. Das Nachbarboot steigt diese Wellen hoch und schlägt hin und her. Es ist schlimm. Da hören wir, wie seine Heckleine reisst. Das Schiff dreht sich im nu in die Windrichtung und der Bug steigt himmelhoch nach oben, dabei reissen gleichzeitig alle Vorleinen, der Kiel schlägt auf Grund und gefühlte 3 Sekunden später liegt das Schiff auf dem Korallenstrand. Zum Glück ist der Besitzer zuvor von Bord gegangen und an Land geschwommen, so ist ihm wenigstens nichts passiert.
Wir sehen, dass es auch eines der Tauchboote an Strand gespült hat. Dabei zittern wir immer noch um unsere meerla, vor allem weil so viel Treibgut an uns vorbeikommt.
Ganze Fischerboote treiben halb abgesoffen an uns vorbei, oder eine zertrümmerte Jolle, ganz zu schweigen von dem vielen Holz von all den zertrümmerten Stegen und vielem mehr. Es ist nicht lustig, hoffen wir doch so sehr, dass keiner dieser Gegenstände unter unser Heck kommt, so dass wir darauf donnern und etwas bei den Rudern verklemmt. Das Steuerrad haben wir übrigens seit stunden in der Hand, damit die Ruder nicht an den Anschlag geschlagen werden, damit wir das sanft abfedern können.
Beim Übernächsten Boot sehen wir, dass das Dinghi ein riesiges Loch im Schlauch hat. Das ist wohl unter das Heck geraten und vom Windpiloten kaputt gegangen. Zum Glück haben wir unseres immer hinten hochgebunden.
Es wird langsam Tag und die Wellen nehmen etwas ab. Was für eine schreckliche Nacht! Wir haben zum Glück alles ohne Schaden überstanden! Wir hören von anderen mit ausgerissenen Klampen und Ruderschäden...
Als sich das Wetter beruhigt hat, gehen wir sofort unsere Mooring Leinen prüfen und sehen da, was für eine Wucht da stattgefunden hat. Unser ein grosser Betonklotz haben wir offensichtlich mehrfach angehoben, denn dieser ist oben ganz zerstört, da wo er andauernd auf den anderen drauf gekippt wurde. Auch ist die wunderschöne Hirnkoralle, die darauf lebte, einfach zertrümmert am Boden – wie traurig.
Die Hurrikan-Saison ist noch nicht zu ende
Es folgt am 20. Oktober ein weiterer Reversal, der für uns aber viel harmloser ist, da der aus einer Richtung kommt, wo uns Klein Bonaire etwas vor den hohen Wellen schützt. Aber auch dies ist nicht lustig. Wann hört das endlich auf?
Der nächste Hurrikan ist sich in der Karibik am Bilden und bringt erneut starke Veränderungen im Wettergeschehen. So kommt es in der Nacht vom 11. auf den 12. November erneut zu einem Reversal. Für uns heisst dies wieder eine schlaflose Nacht. Inzwischen kennen wir diese unangenehme Situation, haben aber auch das Vertrauen, dass alles halten sollte. Und trotzdem ist es ein schlimmes Gefühl. Traurigerweise kommt bei diesem Reversal ein netter einheimischer Mann bei der Karel's Bar ums Leben!
Der für uns fünfte grosse Reversal folgt gleich am 17. November und beginnt um 22 Uhr, als wir noch wach sind. Sollen wir wegfahren? Nein, wir entscheiden uns dagegen und hoffen es wird nicht schlimmer, als wir dies schon erlebten. Das ist eigentlich das schlimmste am ganzen. Du weisst nie, ist das der Höhepunkt oder kommt es noch schlimmer?
Alle anderen «kleineren» Reversals waren auch nicht angenehm, haben uns aber nicht so sehr betroffen wie die hier erwähnten.
Der November hat viel Regen gebracht und somit auch eine markante Abkühlung von Luft und Wasser. So hat sich Ende November das Wetter wieder angefangen zu normalisieren und der Ostwind ist wieder ein Dauergast.
Es war leider ein Rekord-Jahr an tropischen Stürmen von 30 Stück (31 Tropische Tiefs), daraus entstanden 13 Hurrikane wovon 6 schwere Hurrikane waren. Wir sind dankbar, dass wir bis auf die furchtbaren Situationen der Reversals von den Stürmen nicht betroffen waren.
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