Pazifiküberquerung (Teil 2) – Ankunft in den Marquesas

Pazifiküberquerung (Teil 2) – Ankunft in den Marquesas

2023, Passagen, Segeln, Navigation, Pazifik
Die Pazifiküberquerung lässt uns philosophieren und stellt uns ordentlich auf die Geduldsprobe, bis wir in ...

Woche 4

Zu Beginn der vierten Woche unserer Pazifiküberquerung (Logbuch Teil 1 mit Woche 1 - 3) frischt der Wind auf und wir entscheiden uns für ein Reff. Entsprechend werden auch die Wellen höher und wir schlingern übers Wasser und surfen teilweise mit 10kn die Welle herunter. Wir freuen uns, dass wir diese Tage gut vorankommen und erfreuen uns auch ab dem wunderbaren Wetter, das uns Passatsegeln wie im Bilderbuch beschert. Blauer Himmel, Wattebausch-Wolken am Himmel, ein faszinierendes blau des Wassers und Wind bei etwa 20kn. Ansonsten ist es ereignislos, was in diesem Fall auch gewünscht ist.

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Wir erreichen die geographische Länge von 110° West, was zusammen mit unserer Ostseerunde bis 10° Ost, 120° ergibt. Wir sind also bereits um einen Drittel der Erde herumgesegelt!

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Wir geniessen die sternenklare Nacht mit wunderschöner Milchstrasse, anschliessendem Mondaufgang, das «langweilige» Segeln und backen Zitronenkuchen.

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Der mittlere Teil dieser Woche ist mit Nichtstun und moderaten Winden geprägt. Am 27. Tag beginnt es ganz ordentlich zu pusten und die Wellen lassen uns Rodeo reiten. Dies führt zwangsläufig zu mehr Einschlägen von Fischen. Und warum trifft es immer mich? Dieses mal wieder einen grossen, der hässliche Spuren hinterlässt. Und der arme zappelt noch so lange, ich versuche ihm das Leben zu retten, doch er wehrt sich standhaft. Keine schönen Momente, die hässliche Duftspuren hinterlassen.

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Die Schiffsbewegungen sind weiterhin sehr unruhig, es ist wie in einer Waschmaschine und entsprechend finde ich keinen Schlaf. Wir kommen zwar gut voran aber langsam Ankommen wäre auch schön. Und dann springt die Anzeige auf dem Kartenplotter auf unter 1000sm bis zum Ziel!

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Woche 5

Heute, am 29. Tag auf See, dreht der Wind stark Richtung Norden, was uns am Nachmittag zu einer Halse zwingt. Im Vorfeld unserer Abfahrt haben wir von befreundeten Seglern die nette Information erhalten, dass die Passatstrecke im Pazifik richtig toll sei. Immer räumlich auf einem Bug unterwegs und eine tolle Welle, die uns schiebt. Nichts von dem haben wir bis jetzt angetroffen. Und heute segeln wir sogar für einige Stunden auf dem «falschen» Bug! Nachts halsen wir wieder zurück und der Wind wird immer schwächer und nördlicher. Wo ist der versprochene Südostpassat???

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Wir ersehnen die Ankunft so sehr. Diese Tage sind geprägt von einem ordentlichen moralischen Hänger. Wir wollen einfach nur noch ankommen. Dass es so lange dauert, ist das Eine, das Andere sind die mühsamen Bedingungen, die zehren viel mehr an unserer Moral. Aber auf der ganzen Strecke halten wir uns mit gutem Essen bei Laune.

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Wir erkämpfen uns wieder Meile um Meile, die Etmale sind weit unter 100sm, die Wellen erstaunlich hoch und chaotisch und entsprechend schlagen die Segel – das schmerzt jedes Mal in der Seele. Alles hilft nichts, wir versuchen das Beste daraus zu machen und sind einfach nur froh, dass es uns gut geht.

Fluch oder Segen vom Internet auf hoher See ist es, dass wir Seenotfälle oder beinahe Notfälle mitbekommen. Da ist ein Schwedischer Segler, den wir in Panama kennen gelernt hatten, der plötzlich als vermisst gemeldet wird und wir aufgrund der Koordinaten sehen, dass wir nicht allzu weit von ihm entfernt sind. Was jetzt? Müssen wir handeln? Wenn ja, wie? Oder hat er nur technische Probleme, die völlig harmlos sind? Wir warten mal ab und beobachten die Situation, da wir ja noch hinter ihm unterwegs sind. Und beinahe gleichzeitig erfahren wir, dass es auf einem befreundeten Boot einen medizinischen Notfall gibt und Abklärungen im Gange sind, wie sie per Luft abgeborgen werden könnte.

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Und just in unserem Tief, schwimmen wieder unsere Herzöffner vorbei - die Delfine. Sie springen aus dem Wasser und scheinen uns mitzuteilen, freut euch, wir sind ja bei euch! Genau diese Delfinshow brauchen wir jetzt, die stellen uns wieder so richtig auf.

Immer mal wieder kommt ein Regenguss vorbei, was für uns zwei Vorteile bringt. Meerla ist immer sauber gewaschen, das ist angenehm, wenn nicht alles salzig ist und der Wind frischt kurzzeitig auf, so dass wir für einen Moment schneller dem Ziel entgegenkommen. Ich bin sehr froh, dass bisher kein einziges Gewitter dabei war, das wäre ja bekanntlich mein schlimmster Fall.

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Wir halten ja mit anderen Seglern auf der gleichen Strecke Kontakt und so kommt es, dass uns heute Nacht in nur geringem Abstand Samadhi überholt. Das ist ein grosser niederländischer Katamaran, den wir schon lange kennen und deutlich schneller fährt als wir. Ich sehe nur sein Licht am Horizont, sehe ihn aber nicht auf dem AIS und das Radar streikt auch. So wie es am Funkgerät zum Rauschen kommt, werden wir wohl von Steve angefunkt. Doch wir hören nichts und können nicht reagieren.

So zieht Samadhi einfach an uns vorbei, ohne dass wir ihn auf dem AIS sehen oder am Funk hören. Wie nahe er ist, ist nachts sehr schwer abzuschätzen. Wir fragen ihn am anderen Tag, in welchem Abstand er uns denn passiert hat und ob er uns auf dem AIS gesehen hat. Eine halbe Meile und er hat uns nicht gesehen und mehrfach angefunkt. Na toll. Unsere Geräte funktionieren ja super – so ein Frust. Das ist nicht gut und so verbringen wir den ganzen Tag mit Tests, die auf dem Ozean ohne andere Schiffe in der Nähe nicht wirklich stattfinden können. Doch wir haben Glück, ich erspähe mit dem Fernglas weit weg einen anderen Segler. So jetzt kann getestet werden.

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Und siehe da, stecken wir unser Antennenkabel direkt ans AIS-Gerät, sehen wir auch in vielen Meilen Entfernung den Segler! Also ist irgendwo im Bereich des Splitters der Wurm drin. Wir lassen nun das Kabel direkt auf dem AIS, da dies für uns unterwegs wichtiger ist, als der Funk. Ist ein Schiff in der Nähe, können wir das Antennenkabel immer noch auf den Funk umhängen. Aber das Gute am Ganzen ist, dass wir nun mit dieser Erkenntnis unserer Problemlösung näher kommen...

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Woche 6

Am Tag 35, zu Beginn der 6. Woche auf See, begrüssen am Morgen einige Delfine Allan. Ich schlafe noch. Unser Wachrhythmus hat sich über diese lange Zeit gut eingespielt. Ich ruhe mich nach dem Abendessen kurz aus und Allan hält Wache, dann übernehme ich die erste Hälfte der Nacht, also etwa von 21 Uhr bis 3 Uhr, danach übergebe ich an Allan. Entweder, wenn er sowieso kurz eine Wachphase hat oder ich muss ihn halt wecken, wenn ich nicht mehr wachbleiben mag. Dann übernimmt Allan die nächsten Stunden, die meistens bis etwa 9 Uhr morgens dauern. Dann bin ich wieder an der Reihe. Natürlich haben wir auf der Wache immer unsere Schwimmwesten an und irgendwie haben die es in sich. Egal wer von uns, sobald wir diese anhaben, schlafen wir ein. Es sind sozusagen unsere Schlafwesten. Darum läuft auf der Wache auch immer der Wecker, der uns – je nach Verkehrsaufkommen – in regelmässigen Abständen weckt, falls wir einschlafen.

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Was machen wir während diesen Nachtwachen? Wir haben ganz viel Zeit zum Nachdenken auf so einer langen Seefahrt auf dem grossen Ozean. Hier einen winzigen Ausschnitt aus meinen Gedanken einer Nachtwache in Worte gefasst.

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«Wir sitzen wochenlang nur zu zweit auf wenigen Quadratmetern Aluminium, die so verarbeitet sind, dass sie schwimmen. Und ja, sogar vorwärtskommen, wenn es Wind hat und wir eben nicht herumsitzen und die Segel setzen. Es ist unser schwimmendes Zuhause, auf dem wir alles haben und das da über die Wellen tanzt. Manchmal ist es ein langsamer Walzer, dann ein Tango oder es wird zum Rock n Roll. Die Musik dazu geschaffen von der Natur.

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Wir sind lange da draussen auf dem Ozean – sehr lange. Ist das verschwendete Lebenszeit? Oder unser Gefängnis? Wir haben jetzt Zeit über diese Aussagen von anderen, Gleichgesinnten, die sich schon über ihre Ankunft erfreuen durften, nachzudenken.

Ich habe keine Strichliste geführt, wie oft ich mich gefragt habe «warum tun wir uns das eigentlich an»? Diese Reise ist geprägt von Wellen. So sind auch unsere Gefühle und Gedanken am Wellenreiten. Da gibt es viele Glücksmomente, die sind sehr vielschichtig und sehr wichtig. Mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn wir Besuch von Delfinen erhalten. Sie kommen von der Seite her angeschossen, meistens nicht alleine und jagen nach vorne zum Bug. Da schwimmen sie etwas mit und biegen wieder ab. Nur um das gleiche Spiel aufs Neue zu beginnen. Sie kommen aus dem Wasser, atmen, tauchen wieder ab oder machen Luftsprünge. Ja, die würde ich auch am liebsten machen, wenn ich sie sehe. Wenn dann noch fluoreszierendes Wasser dazu kommt und die Delfine nachts uns besuchen, ist es ein Lichtzauber, der schöner nicht sein könnte. Es schiessen blau-silbrige Pfeile an der meerla vorbei, welche selbst auch einen Sternenschweif ins Universum produziert. Fast der Milchstrasse gleich, die nachts den Himmel verziert.

Der Sternenhimmel ist jede Nacht erneut faszinierend. Mitten auf dem Ozean ohne Lichtstörungen ist das Himmelszelt einfach gigantisch. All die lieblich funkelnden Lichttupfer, der eine heller, der andere dunkler oder strahlen sie etwa um die Wette? Und je länger man hinschaut umso mehr sieht man in die Tiefe. Aber wo hört denn das Universum auf und was kommt danach? Wir philosophieren lange gemeinsam darüber und je länger die mondlose Nacht dauert, umso weniger wissen wir. Oder doch, eins wissen wir genau: Wir haben keine Vorstellung über das All, die Grösse des Universums, die Galaxien und was danach kommt oder eben nicht. Wenn ich versuche mir vorzustellen, wie gross das Universum ist, dann wird mein Gehirn gleich so leer wie ein schwarzes Loch. Gibt es da draussen andere Lebensformen? Natürlich sind das alles Themen, über die sicherlich jeder schon nachgedacht hat, wir auch. Und auch dieses Mal haben wir keine Antworten, sondern einfach glückliche, zweisame Stunden auf dem Rücken auf Deck liegend und gemeinsam Zeit in die Sterne schauend.

Ist es also verschwendete Lebenszeit? Was wir alles in dieser Zeit hätten machen können. Nein. Die Zeit macht mit uns etwas, so eine Reise verändert einem. Wie lange, das weiss ich nicht, das werden wir herausfinden. Ist es das Gefängnis? Nein, für uns nicht. Es ist unser zuhause, das manchmal durch unruhige Zeiten geht um uns dann wieder ein traumhaftes Leben zu schenken.»

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Es ist ein Ende in Sicht, was unserer Moral sehr guttut. Und wir erhalten die freudige Meldung, dass die beiden oben beschriebenen beinahe Seenotfällen gut ausgegangen sind. Der eine war ein technischer Defekt und der andere hat sich nach Tagen wieder beruhigt, so dass sie auf dem Schiff verbleiben konnte.

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Der Wind ist nach wie vor schwierig, die perfekten Bedingungen schauen immer mal für kurze Zeit vorbei, dann sind sie wieder weg. Am 36. Tag zeichnet sich ab, dass wir voraussichtlich im Dunkeln ankommen. Das wünschen wir uns natürlich nicht für einen fremden Ort. Aber wir warten noch mit dem Bremsen, je nach Windbedingungen könnten wir es doch noch am späten nächsten Abend schaffen. Doch frühmorgens ist klar, dass reicht nicht. Also heisst es jetzt bremsen. Wie grotesk, jetzt waren wir die ganze Zeit so langsam und am Ende, wo es läuft müssen wir bremsen! Aber wir klagen nicht, uns geht es ja gut und wir haben einen schönen Abschluss.

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Der letzte ganze Tag auf See dieser Reise ist angebrochen und wir geniessen den Blick aufs Wasser nochmals so richtig. Abends kommt dann die Insel in Sicht, was für ein schöner Moment! Die letzte Nacht geht unspektakulär vorbei und der Wind nimmt so sehr ab, dass wir die letzten Meilen zum Ziel noch Motoren müssen.

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Wir fahren südlich von Hiva Oa entlang und riechen die Insel. Was für ein intensiver Geruch. Würden wir den auch so sehr wahrnehmen, wenn wir nicht fünfeinhalb Wochen auf See gewesen wären?

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Wir erreichen die Tahauka Baie auf Hiva Oa und fahren hinter die Mole um einen Ankerplatz zu suchen. Doch zu viele Segler liegen da schon vor Anker, so entscheiden wir uns ausserhalb einen Platz zu suchen. Der Anker fällt nach 37 Tagen, 23 Stunden und 50 Minuten beim ersten Sonnenlicht.

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Juhu, wir sind nach 4129 Seemeilen in Französisch-Polynesien auf den Marquesas, mitten im Pazifik angekommen!!!

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